Ausländische Akkreditierungen

In der Europäischen Union legt Art. 4 Abs. 5 VO (EG) 765/2008 für alle Mitgliedsstaaten fest, dass die Akkreditierung von Konformitätsbewertungsstellen eine hoheitliche Tätigkeit ist. Die „Akkreditierung“ ist somit unmittelbar und spezifisch mit der Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 51 AEUV verbunden (vgl. Urteil EuGH, vom 06.05.2021, Rs. C-142/20, Analisi G. Caracciolo ./. Accredia, ECLI:EU:C:2021:368). In Deutschland ist nur eine Behörde bundesweit für alle Akkreditierungen von Konformitätsbewertungsstellen gemäß Art. 4 Abs.1 Verordnung (EG) Nr. 765/2008 zuständig. Dies ist gemäß § 1 Abs. 1 AkkStelleGBV die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS).

Daraus folgt, dass weder private Stellen noch nicht autorisierte ausländische Stellen die Tätigkeit der Akkreditierung gegenüber Konformitätsbewertungsstellen mit Sitz in Deutschland ausüben dürfen, und zwar weder im Rahmen der Erstakkreditierung noch im Rahmen der Überwachung von Konformitätsbewertungsstellen. Bereits die Tätigkeit, Akkreditierungen im Sinne des Art. 2 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 durchzuführen oder den Anschein zu erwecken, die Akkreditierung durch Bestätigung der Kompetenz von Konformitätsbewertungsstellen oder in anderer Weise durchzuführen, ist nach § 1a AkkStelleG verboten.

Dementsprechend sind Akkreditierungstätigkeiten ausländischer Akkreditierungsstellen in Deutschland ohne Vorliegen einer Ausnahme gemäß Art. 7 i. V. m. Art. 6 Abs.3, Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 verboten. Nach § 1a Abs. 3 AkkStelleG kann die DAkkS die erforderlichen Anordnungen und Maßnahmen treffen, um unzulässige Akkreditierungen zu verhindern oder zu beseitigen.

Personen, die in Deutschland als Begutachter oder sonst an der Erteilung einer unerlaubten ausländischen Akkreditierung einer Konformitätsbewertungsstelle mit Sitz in Deutschland mitwirken, können den Tatbestand einer strafbaren Amtsanmaßung gemäß § 132 StGB erfüllen, die mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden kann.

Gleichwohl kann es in besonderen Konstellationen notwendig sein, das Vorliegen der Ausnahmetatbestände nach Art. 7 Abs. 1 2 UAbs. Verordnung (EG) Nr. 765/2008 zu prüfen oder auf Grundlage des WTO-Rechts ein gemeinsames Akkreditierungsverfahren (Joint-Assessment) zwischen der DAkkS und einer Akkreditierungsstelle aus einem Drittstaat zu organisieren, um Handelshemmnisse abzubauen oder zu mildern.

Der Stabsbereich ist Ansprechpartner für Akkreditierungsstellen, die in Deutschland tätig werden wollen oder für Konformitätsbewertungsstellen, die anstreben, eine Akkreditierung aus einem Drittstaat zu erwerben. Der Stabsbereich gibt auf Antrag eine verbindliche Stellungnahme zur Zulässigkeit des Verfahrens ab und koordiniert die notwendigen Schritte für ein ggf. zulässiges Joint-Assessment oder eine Beobachtung nach Art. 7 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 765/2008.

Antragsprüfung für Akkreditierungen aus Drittstaaten

Antragsverfahren

Anträge auf Akkreditierung mit Prüfung und verbindlicher Antragsbewertung bei Geltungsbereichen mit Bezug zu Drittstaaten bzw. mit der Prüfung zur Zulässigkeit der Tätigkeit von ausländischen Akkreditierungsstellen in Deutschland und dem Erwerb einer Akkreditierung unter Mitwirkung ausländischer Akkreditierungsstellen sind durch die Konformitätsbewertungsstelle mit Sitz in Deutschland in Textform unter konkreter Darlegung des Sachverhaltes bei der DAkkS einzureichen (Schriftformerfordernis).

Die Antragsprüfung ist kostenpflichtig gemäß Anlage zu § 1 AkkStelleGebV, Tarifstelle 1.1.1.

Sitzlandprinzip in der EU

Will eine Konformitätsbewertungsstelle die Akkreditierung beantragen, so wendet sie sich gemäß Art 1 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 765/2008 hierzu an die nationale Akkreditierungsstelle des Mitgliedstaates, in dem sie niedergelassen ist, oder an die nationale Akkreditierungsstelle, auf die dieser Mitgliedstaat nach Artikel 4 Absatz 2 Verordnung (EG) Nr. 765/2008 zurückgreift. Diese Bestimmungen erlauben es einer Konformitätsbewertungsstelle auch nicht, sich von einer in einem Drittstaat ansässigen Stelle akkreditieren zu lassen, damit sie ihre Tätigkeit aus der Europäischen Union ausüben kann (EuGH, Urteil vom 6. Mai 2021, Analisi G. Caracciolo, C-142/20, EU:C:2021:368, para. 32). Die Akkreditierung umfasst alle weltweiten Standorte und Geltungsbereiche der Konformitätsbewertungsstelle, auch im Ausland. Innerhalb der EU wenden die Akkreditierungsstellen das Koordinierungsverfahren nach EA 2/13 an, wenn Begutachtungen außerhalb des eigenen Staatsgebietes in einem anderen EU oder EWR-Mitgliedsstaat notwendig werden.

Joint Assessment mit Drittstaaten

Es kann beim derzeitigen Entwicklungsstand des Welthandelsrechts der WTO zu Situationen kommen, dass mangels anderweitiger Handelsabkommen die Tätigkeit einer Konformitätsbewertungsstelle mit Sitz in Deutschland auf einem Drittlandmarkt für die deutsche Volkswirtschaft sinnvoll erscheint, diese Konstellationen aber nicht von den Ausnahmen des Art. 7 Abs. 1 2 UAbs. Verordnung (EG) Nr. 765/2008 abgedeckt werden oder andere rechtliche Hindernisse eine rechtliche Anerkennung der DAkkS-Akkreditierung im Zielstaat des Exportes verhindern. Aufgrund dieser Situation auf außereuropäischen Märkten bietet die DAkkS ein Verfahren an, das unter Wahrung der gesetzlichen Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 sicherstellt, dass eine Akkreditierung für einen Drittstaat erlangt werden kann und dennoch das europäische Recht beachtet wird.

Dabei werden zwei Akkreditierungsverfahren geführt, die für jeden Rechtskreis (EU + Drittstaat) zunächst unabhängig die Anforderungen ihres Rechtskreises erfüllen müssen. Um jedoch die Doppelkosten und Zeitverzüge zu reduzieren und um eine internationale Kohärenz beider Verfahren sicherzustellen, werden beide Verfahren gemäß den Vorgaben der ISO/IEC 17011 und den Anforderungen der jeweiligen internationalen Akkreditierungsorganisation über Unteraufträge verknüpft, sodass es nicht zu einer doppelten Begutachtung kommt. Dieses Verfahren setzt voraus, dass die DAkkS und die Akkreditierungsstelle aus dem Drittstaat wirksam über ein MLA verbunden sind und dass die Akkreditierungsstelle formal durch ihren Sitzstaat als solche autorisiert worden ist. Diese Voraussetzungen werden durch die DAkkS in jedem Einzelfall überprüft.

Das Verfahren kann schematisch wie folgt dargestellt werden:

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Rechtzeitiger Antrag

Der Antrag bei der DAkkS auf Akkreditierung mit Antragsbewertung zur Prüfung der Zulässigkeit der Tätigkeit von ausländischen Akkreditierungsstellen in Deutschland und dem Erwerb einer Akkreditierung unter Mitwirkung ausländischer Akkreditierungsstellen muss also vor dem Vertragsschluss mit einer ausländischen Akkreditierungsstelle erfolgen. Andernfalls ist der Verbotstatbestand bereits erfüllt.

Unselbstständige NL ausländischer Konzerne

Will ein Konformitätsbewertungsstelle mit Sitz in einem Drittstaat einen unselbstständigen Standort in Deutschland (critical location) betreiben, der keine gesetzlich geregelten Angebote in den EU-Binnenmarkt macht und deshalb die Drittlandakkreditierung fortführen, erhält die DAkkS von der Akkreditierungsstelle aus dem Drittstaat einen Unterauftrag gemäß Tz. 6.4.4 ISO/IEC 17011, führt die Begutachtung auf dem deutschen Hoheitsgebiet im Unterauftrag durch und berichtet an die Akkreditierungsstelle im Drittsaat. Die Akkreditierungsstelle aus dem Drittstaat darf nicht auf deutschem Hoheitsgebiet tätig werden.

Wenn die Stelle gesetzlich geregelte Konformitätsbewertungstätigkeiten in den EU-Binnenmarkt anbieten will, ist die vorbeschriebene Ausnahmekonstellation nicht zulässig. Der Sitz in Deutschland muss als eigenständiges Unternehmen ohne Konzernbeherrschung gegründet werden und bedarf einer DAkkS-Akkreditierung.

Kontakt

Ghizlane Elouariachi

Rechtsreferentin Akkreditierungsgovernance

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